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© Thomas Kellenberger / BärnToday / Warner Nattiel

Berner läuft auf die Philippinen: «Danach folgte der Zusammenbruch»

Zwei Jahre unterwegs
Thomas Kellenberger lief vom Berner Oberland aus knapp zwei Jahre zu Fuss auf die Philippinen und sammelte Geld für sein Kinder-Hilfswerk. Nach seiner Reise folgte der totale Zusammenbruch. Jetzt ist er zurück im Leben und hat schon ein nächstes ambitioniertes Projekt vor Augen.
Publiziert am Do 29. Feb. 2024 16:06 Uhr

Unter Tränen läuft Thomas Kellenberger im Mai 2023 auf den Philippinen die letzten Meter seiner Reise, unzählige Kinder empfangen ihn beim Kinderdorf in der philippinischen Stadt Cagayan de Oro. Nach genau 21 Monaten und 14'503 Kilometern zu Fuss schliesst er seinen unglaublichen Marsch ab. Er war von Wilderswil im Berner Oberland durch 22 Länder in sein heutiges Zuhause auf die Philippinen gelaufen.

© zvg Thomas Kellenberger
- Das ist die Route, die Thomas Kellenberger zurückgelegt hat. Im Mai 2023 kam er auf den Philippinen an.

Die grösste Motivation dabei war, Geld für das von ihm und seiner Mutter 2007 gegründete Hilfswerk zu sammeln, welches mittlerweile über 1000 Kinder auf den Philippinen unterstützt. TeleBärn hatte im Januar 2023 während seiner Reise über ihn berichtet:

© TeleBärn (Beitrag vom 29. Januar 2023)

Heute sagt Thomas Kellenberger: «Der Tag der Ankunft war einer der schönsten Tage in meinem Leben.» Was danach folgte, war für den ehemaligen Polizisten aber ein totaler Albtraum.

Totaler Zusammenbruch nach der Reise

Zwei Tage nach seiner Ankunft folgt der körperliche Zusammenbruch. Kellenberger lag einige Tage im Spital und litt danach Monate lang an einem Erschöpfungssyndrom. «Von einem Tag auf den anderen konnte ich keine 100 Meter mehr laufen und hatte unglaubliche Schmerzen.» Nach acht Wochen sei er an einen Punkt gekommen, wo er sich gesagt habe: «Jetzt würde ich lieber sterben, als dass es so weiter geht.»

Trotzdem sei er während der Leidenszeit zum Schluss gekommen, dass er seine Reise nicht bereut, auch nicht, wenn sie ihm den Tod gebracht hätte. Das Einzige, was er anders machen würde, sei der Abschluss seines Marschs. Die letzten 25 Tage ist Kellenberger bei 45 Grad noch 1200 Kilometer gelaufen. «Heute würde ich ein Stück mit dem Bus zurücklegen.»

Jeden Tag der Reise im Kopf

Von seinen Beschwerden hat er sich fast komplett erholt. Er sei froh, denn so könne er nun wieder über seine Erlebnisse erzählen und gleichzeitig damit Kinder auf den Philippinen unterstützen. Im Moment ist Thomas Kellenberger in der Schweiz, um mit Auftritten weitere Gelder für sein Hilfswerk zu sammeln. Am Freitag schloss er seine Vortragreihe vorerst ab. Allerdings plant er im September weitere Präsentationen.

In diesen spricht er über die unzähligen Begegnungen, Eindrücke und Emotionen, die er auf seiner Reise erlebt hat. Es sei ein sehr intensives Leben, wenn man unterwegs ist. Wenn ihn im Alltag jemand frage, was er letzte Woche gemacht habe, müsse er lange überlegen. Von seiner Reise habe er jeden einzelnen Tag im Kopf: «Alles ist neu. Man sieht Landschaften, die man noch nie gesehen hat und lebt völlig in der Gegenwart.» Rudimentäre Fragen, wo schlafe ich oder was esse ich, nehmen den grössten Platz ein.

Übernachtet hat Kellenberger oft im Zelt oder in Städten in Hostels. Gerade in ländlichen Regionen habe man ihn oft zum Essen oder Schlafen eingeladen. Die Grosszügigkeit der Menschen in allen durchlaufenen 22 Ländern hat ihn beeindruckt. Wenn er seinen Gastgebern etwas zahlen wollte, nahmen diese das Geld selten einfach so an. «Manchmal habe ich aus Dankbarkeit vor der Abreise etwas Geld unter das Kopfkissen gelegt.» Es sei wichtig zu sehen, dass es eben eine Art Welt-Gemeinschaft gibt und Hilfsbereitschaft weitverbreitet ist.

Angst im Schweizer Wald und in Indien vor den Tigern

Offenherzig fremden Menschen vertrauen, ohne zu wissen, ob sie es gut meinen. Über Schnee bedeckte Gletscher im Himalaya gehen und durch den Dschungel streifen – im Wissen um Gletscherspalten und wilde Tiere. In der Nacht im nirgendwo der Natur übernachten, im Zelt umgeben von den Geräuschen der Nacht – die Vorstellung erregt bei vielen Leuten ein menschliches Urgefühl: Angst.

Thomas Kellenbergers Reise zu Fuss durch die Welt war eine körperliche und mentale Herausforderung. Dabei war Angst nur eine Randerscheinung, wie er erzählt. «Das Gefährlichste war eigentlich der Strassenverkehr und davor hatte ich nie Angst», sagt er lachend. In Kosovo wäre er beinahe von einem Van überfahren worden. Der Sprung in den Strassengraben rettete ihn.

Angst hatte Kellenberger beispielsweise in Indien vor wilden Tieren. «Siehst du den Tiger, hast du Glück. Will er dich fressen, merkst du es erst, wenn es zu spät ist», hatten ihn die Einheimischen gewarnt. Gesehen hat er den König des Dschungels aber nie. Angst verspürte er während einer seiner ersten Nächte allein im Zelt, irgendwo in einem Wald in der Schweiz: «Wie ein kleiner Bub habe ich mich plötzlich gefürchtet.»

Tatsächliche Erlebnisse, die Anlass zur Angst gegeben hätten, hatte er während den knapp zwei Jahren kaum. Einmal habe ihn ein Mann in Georgien so richtig reingelegt. Er lud Kellenberger in ein Restaurant ein, bestellte Essen und Trinken, inklusive Champagner und als es um die Rechnung ging, war er spurlos verschwunden, erklärt Kellenberger. «Das war eine sehr unangenehme Situation.»

Trotzdem nahm er sich vor, nicht misstrauisch, sondern offenherzig weiterzulaufen. «Ich sagte mir, bis Georgien gab es keine negative Erfahrung, also gehst du offenherzig weiter. Und das hat sich definitiv gelohnt.»

Nächstes Projekt ist ein Bauernhof

Er sei kein Abenteurer, der um jeden Preis Adrenalin oder Reisen brauche. Ein ähnliches Abenteuer, wie sein Marsch auf die Philippinen, ist nicht geplant. Im Gegenteil: Nun freut sich Thomas Kellenberger auf ein anderes Projekt, das unter anderem mit den 140'000 Franken finanziert werden soll, die er auf seiner Reise gesammelt hat.

Das Ziel sei es, ein Stück Land zu kaufen und regenerative Landwirtschaft zu betreiben. Auf eine natürliche Art und Weise und nicht mit Monokulturen. «Wir wollen Essen für unsere Tagesschulen und das Kinderdorf produzieren», erklärt Kellenberger. Später sollen Kinder, die nicht in ihre Familien zurückkehren können, auf dem Bauernhof einen Platz finden.

Die letzten Meter seiner einmaligen Reise hat Thomas Kellenberger schon seit fast einem Jahr hinter sich. Für sein Hilfswerk will er noch viele Meilen zurücklegen.

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